Ingrid Rusterholtz

Auszüge aus meiner Vernehmlassung

Seit der Stunde Null des Büros* wurde daran gearbeitet, Geschlechterstereotype und Rollenzuschreibungen bewusst zu machen, zu hinterfragen und auf Veränderung im Sinne der Auflösung solcher Stereotype in Richtung «Jeder Mensch ist einzigartig» zu wirken.

Nicht die Binarität gehört über Bord, sondern die Zuschreibungen. Die Zweigeschlechtlichkeit ist aufs Ganze gesehen keine Möglichkeit, sondern eine Gegebenheit: Jeder und jede von uns rund um den Erdball und durch alle Zeiten wurde von einer Frau geboren.

Sozialpolitisch ist unbestritten, dass fluiden Geschlechtsidentitäten von Staates wegen besser entsprochen werden soll. Doch die Geschlechtszugehörigkeit w/m als strukturierendes Ordnungsmerkmal der Gesellschaft ist damit nicht überwunden. Genauso wenig wie tradierte Geschlechterbilder, die heutige Menschen noch immer prägen und bekümmern oder befeuern.

Es macht einen Unterschied, ob sich der Staat verpflichtet, mit einem Gesetz eine exponierte Community zu schützen – soweit, so gut –, oder ob der Staat die Perspektive dieser Gruppe übernimmt und aus dieser Perspektive definiert und gesetzlich verankert (so die Absicht), was «Geschlecht» ist und bei dieser Gelegenheit die Mehrheitsgesellschaft (die über 99%, die sich als Frauen und Männer verstehen) in diesem Gesetz, notabene einem Gleichstellungsgesetz, explizit ausgrenzt.

* Heute Abteilung Gleichstellung des Kantons Basel-Stadt, vormals Gleichstellungsbüro Basel-Stadt, bei der Errichtung 1992 Frauenstelle Basel-Stadt

Identitätsaspekte

Bärner Meitschi, Grittu. In der Pfadi Mäxu. Gross geworden im grossen Haus (Hotel) mit vielfältigen Erwachsenenrollen. Mit binationalen, interkonfessionellen, sehr beschäftigten Eltern. Die Mittlere von drei Geschwistern. Gross geworden auch im Bildungswesen; Lehrerin, Heilpädagogin, Dozentin, Referentin, Publizistin. Feministin, Systemkritikerin. Partnerin, Liebhaberin. Auch Liebhaberin gepflegter Haushalte. 1980 Identitäts-Zuwachs als Mutter; kraftvoll, herzhaft, lebenslänglich. Grossmutter.

Engagements im aktuellen Kontext

Mitbegründerin SchRybyse, Fachgruppe für geschlechtergerechte Sprache, aktivistische Kritik am Männerdeutsch. Mitbegründerin Frauenfachgruppe für ganzheitliche Bildung anlässlich der Basler Schulreform 1990, Mitautorin A(e)chtung Mädchen. Referate und Kurse in der schulischen Aus- und Fortbildung der ganzen Deutschschweiz zu diversen thematischen Schwerpunkten im Kontext Sexismus in der Schule. Dozentin am Institut für Informatik der Uni Zürich zu den Hintergründen des schwächelnden Frauenanteils in der Informatik. Gleichstellungsbeauftragte BS, 1992-2004. In dieser Funktion z.B. Mitinitiantin Forschungsprojekt «Halt-Gewalt», schweizweit erstmalige juristische und soziologische Forschung zu häuslicher Gewalt im Nationalfondsprogramm 40. Initiantin und Projektleiterin des vom Gleichstellungsbüro herausgegebenen dreiteiligen Gender Manual.

Die (heutige) Abteilung Gleichstellung Basel-Stadt und das (frühere) Gleichstellungsbüro beschränkten sich – anders als unlängst behauptet – nie allein auf die Situation von Mädchen und Frauen. Wär’ ja auch zu dumm, angesichts der eingespielten Wechselwirkungen.

Heute

Mein Hauptinteresse gilt heute den Folgen der historischen Ausgrenzung der Frauen und der an sie gebundenen Werte auf das Verständnis von Fortschritt und Zukunftsgestaltung. Der Ausschluss ist evident, doch er bleibt ausgeblendet, wird oft gar nicht erkannt. Was bedeutet dies im Hinblick auf heutige Krisen, etwa zum Stichwort Ökologie? Die Broschüre Verdrängtes Können zeigt auf knappem Raum Zusammenhänge auf. (Bestellung: [email protected])