Gender – vom Wandel eines Begriffs

Es war ein Gewinn, als der Begriff Gender vor einigen Jahrzehnten im Deutschen ankam. Für das eine Wort Geschlecht gab es fortan zwei Begriffe: für das biologische Geschlecht sex, für die gesellschaftlichen Vorstellungen und Zuschreibungen gender. All das, was mit der Biologie nichts zu tun hat, wohl aber mit zugedachten sozialen Rollen und Erwartungen an Frauen und Männer und sogar «Eigenschaften» war nun mit einem Wort gesagt: Gender.

Nach einer denkwürdigen Umdeutung von Gender innert weniger Jahre hat das biologische Geschlecht – wir verdanken ihm immerhin unsere Existenz – anscheinend ausgedient. Nicht generell natürlich, aber bei den Genderaktivist*innen. Für sie zählt nur Gender: in einem neuen individualistischen Verständnis von Befinden und Erleben. Einzig das gefühlte Geschlecht zählt.

Gegen das Bedürfnis, sich selber geschlechtlich neu zu erfinden, ist erst einmal nichts einzuwenden. «Es sollen alle nach ihrer Façon glücklich werden», finden viele feinfühlige, aufgeklärte Menschen. Schwierig wird es im Alltagsleben etwa dort, wo Kinder keinen Schutz erfahren vor irreversiblen Entscheidungen und körperlichen Eingriffen, die für sie altersbedingt noch gar nicht abschätzbar sind. Oder auch dort, wo die Rechte anderer tangiert werden, wie beispielsweise im vorgelegten Gesetz. Schwierig finden wir auch, wenn Beobachtungen und Fakten nichts mehr zählen, wenn auch wissenschaftliche Fakten nicht ankommen gegen eine Ideologie.

Inzwischen ist das Wort biologisch zum Pfuiwort mutiert, es wird vom Inner Circle vermieden und der Rest der Gesellschaft ist gehalten, sich ebenfalls nach dieser Vorgabe zu richten. Wer das Wort dennoch verwendet, wer Biologie als Gegebenheit anerkennt, läuft Gefahr, ausgegrenzt, diffamiert oder gar verjagt zu werden. Das gilt inzwischen weit über die LGBTIQA+-Community hinaus. Viele finden das Gendern fortschrittlich, modern. Maulkörbe sind nie modern, findet «Justitia ruft».

Der einst patente Begriff Gender – sagen wir vereinfacht das soziale Geschlecht – ist mit den neuen Deutungen von Geschlecht seinem ursprünglichen Sinn enthoben, der da hiess: Es geht um soziale Zuweisungen – im Verlauf der Geschichte etabliert und manche bis heute wirkungsmächtig; es geht um ein Machtverhältnis – um behauptete männliche Vor- und weibliche Nachrangigkeit. Zuschreibungen und Verhältnisse sind wandelbar, veränderbar. Diese Zumutungen müssen wir zurückweisen, nicht das biologische Geschlecht.

Wenn heute vom genderkritischen Feminismus die Rede ist, so geht es um die Kritik an der geschilderten Umdeutung von Gender und deren Folgen.

Was vor nicht allzu langer Zeit als kultur-politischer Veränderungsauftrag verstanden worden war, zeigt sich heute als wahrscheinlich intimster Versuch von «Selbstoptimierung».